von Semjon Feuerstack
Landesvorsitzender der Sozialliberalen Hamburg
Die Grünen waren die erste bekannte Partei, die sich für eine Freigabe von Marihuana ausgesprochen hat. Auch heute versucht die Partei noch, sich mit dieser Forderung einen liberalen Touch zu geben. Die Praxis sieht leider anders aus:
Wie die „taz“ aufzeigt, gibt es in keinem Bundesland mehr Betäubungsmittelkontrollen je 100.000 Einwohner als in Hamburg. 758 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wurden pro 100.000 Einwohner wurden im Jahr 2019 registriert, davon 596 „konsumnahe Delikte“ (also Erwerb und Besitz zum Eigenbedarf), von denen wiederum 359 ausschließlich Cannabis betreffen.
Dabei steigt die Zahl der Betäubungsmitteldelikte mit der Anzahl durchgeführter Kontrollen. Wer die Taschen von 1.000 Passanten durchsucht, wird höchstwahrscheinlich mehr Drogenkonsumenten ermitteln als jemand, der lediglich die Taschen von 100 Passanten durchsucht. Hamburg kontrolliert mithin am meisten. Und was nützt das?
Es müssen zunächst Strafverfahren eingeleitet und Ermittlungen durchgeführt werden. Zwar können Verfahren bei „Eigenbedarf“ in „geringer Menge“ eingestellt werden – bis zum Einstellungsbescheid fallen aber erhebliche Kosten zu Lasten des Steuerzahlers und Überstunden ohnehin schon am Limit arbeitender Polizeibeamten an. Gerade bei „Wiederholungstätern“ ist eine Einstellung des Verfahrens keine Selbstverständlichkeit. Es droht eine Geldstrafe oder gar Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, womöglich auch ein Verlust des Arbeitsplatzes, der Wohnung und/oder des Führerscheins.
Dabei geht es nicht um den sicher unstreitigen Grundsatz, dass man unter Einfluss von Rauschmitteln kein Kraftfahrzeug führen sollte. Cannabis ist teilweise noch Wochen nach dem letzten Konsum nachweisbar. Bei allen anderen Drogen reicht sogar der einmalige Konsum für einen Entzug der Fahrerlaubnis. Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass ein regelmäßiger Cannabiskonsum die Fahreignung auch dann beeinflusst, wenn der Fahrer nüchtern ist. Dass die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr nicht beeinträchtigt sein wird, wenn jemand z. B. vor Jahren ein einziges Mal Ecstasy probiert hat und seitdem keinerlei Auffälligkeiten zeigte, sollte sich bereits mit logischem Menschenverstand erschließen.
Längst wird ein Ende der Prohibition nicht mehr nur von Organisationen wie dem Deutschen Hanfverband oder dem Cannabis Social Club Hamburg e. V. gefordert, bei denen man ein persönliches Interesse an einer Entkriminalisierung vermuten könnte. Mit LEAP (Law Enforcement Against Prohibition) gibt es einen internationalen Zusammenschluss an Polizeibeamten, Staatsanwälten, Richtern, Strafverteidigern und Drogenexperten, die den Krieg gegen Drogen aus eigener professioneller Erfahrung als gescheitert ansehen. Der „Schildower Kreis“ legt rechtswissenschaftlich fundiert dar, warum eine Änderung der Drogenpolitik geboten ist.
Hamburg trotzt allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, allen wirtschaftlichen Gegenüberstellungen der Prohibitionskosten und der (möglichen) Belastungen des Gesundheitssystems durch Drogenkonsumenten und allen Konzepten zu einer Entkriminalisierung zumindest von Marihuana und führt eine sehr unrühmliche Statistik an als Bundesland mit den meisten Drogenkontrollen. Das ist nicht sozialdemokratisch und erst recht nicht liberal, sondern konservativ im Sinne von rückständig.
Für vernunftorientierte zeitgemäße Drogenpolitik empfehlen wir einen Blick in unser Parteiprogramm.