Die Verkehrskolumne von Willi Perbandt,
Mitglied des LaVo HH, Co Sprecher der AG Energie, Verkehr und Umwelt
Hallo liebe interessierte Leser meiner kleinen Kolumne über den öffentlichen Nahverkehr in und um Hamburg.
Ich habe ja lange nichts mehr von mir hören lassen, aber jetzt wollte ich mal wieder ein Lebenszeichen von mir geben.
Wie schon in der Überschrift angedeutet, möchte ich in dieser Kolumne über die Hamburger Regionalzüge schreiben.
Erst einmal eine kurze Begriffsdefinition. Wir unterscheiden hier zwischen Regionalbahn und Regionalexpress sowie dem Sprinter (wobei mir allerdings leider keiner von dem Schleswig-Holsteinischen Vertretern genau sagen konnte, warum der 2017 angekündigte Sprinter länger braucht als der jetzt 2022 fahrenden).
Regionalexpress: Hält gegenüber den Regionalbahnen an weniger Haltestellen.
Der Sprinter von Hamburg nach Lübeck fährt mit höchstens einen Halt allerdings erst ab 2022.
Es fahren 12 Regionalexpresslinien, 6 Regionalbahnen die Hamburg mit dem Umland von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen verbinden.
9 % der Pendler in Hamburg (Stand 2012 lt. Studie vom HWWI 2013 S.13 unterstützt von der HASPA) benutzen die Regionalzüge. Im Jahr 2019 waren ca.128.000 Menschen die stadtauswärts und ca. 350.000 die täglich nach Hamburg pendelten.
Es spielen hier sehr viele Parameter für den derzeitigen Zustand der Regionalbahnen eine Rolle.
Durch die immer noch schlechten Zustände der Gleise und die veraltete Technik der Bahnanlagen sowie die hohe Auslastung einiger Strecken, muss auf den Regionalstrecken mit zum Teil erheblichen Verspätungen oder sogar Zugausfällen gerechnet werden.
Hinzu kommt noch, dass die Bahn nicht mehr verpflichtet ist ihre Bahnanalgen durch Zäune zu schützen. (Gerichtsurteil von Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 07. Juni 1977, AZ: 9 U 5⁄77) das Urteil ist zwar schon 40 Jahre alt, aber die Auswirkungen wurden auf allen Strecken der Bahn erst nach und nach sichtbar, weil die vorhandenen Zäune auch erst nach und nach marode wurden, nicht ersetzt oder repariert werden bzw. gar nicht erst errichtet wurden. Das führte dazu, das durch Störungen auch von außerhalb wie z.B. Kupferdiebe, Spaziergänger, spielende Kinder oder Personen mit anderen Motiven immer wieder für erhebliche Störungen sorgen, die teilweise auch mehrere Tage dauern können.
Exkursion:
Zumindest bei der S21 und S3 werden schon Einzäunungen durchgeführt, ebenso sollen an stark frequentierten Bahnhöfen Durchgangssperren aufgestellt werden. Was mich wundert, ist allerdings die Tatsache, dass die Kosten für die 15 km Einzäunung in Höhe von 5 Millionen Euro die Hansestadt alleine trägt, da die Bahn davon ebenso profitiert, weil sie bei weniger Verspätung und auch weniger Ersatz zahlen muss.
Ein weiteres Problem ist, dass jedes Bundesland bei der Bahn Kapazitäten bestellen muss, bzw. die Leistungen für einen bestimmten Zeitraum ausgeschrieben werden müssen. Daraus folgt auch, dass bei länderübergreifenden Strecken immer Gespräche zwischen den betroffenen Bundesländern stattfinden müssen.
Dies erschwert Lösungsmöglichkeiten für durchgehende Strecken von beispielsweise Schwerin nach Itzehoe oder Neumünster zu führen. Oder aber auch Kurzregionalstrecken von Büchen nach Elmshorn. Zwar liegt diese Strecke komplett in Schleswig-Holstein, aber der Streckenabschnitt Büchen Hauptbahnhof wird von Mecklenburg-Vorpommern verhandelt, da sie auch die Strecke Rostock/Schwerin bis Hauptbahnhof ausgeschrieben haben.
Durch die Ausschreibungen tritt auch ein Interessenskonflikt auf, da einerseits die Bundesländer Geld sparen müssen — weswegen sie so höchstwahrscheinlich immer knappe Kapazitäten ausschreiben um nicht zu viel zahlen zu müssen oder ggf. Leerkapazitäten zu haben, und andererseits kann dadurch der Auftrag eine optimale Personenbeförderung durchzuführen nicht eingehalten werden. Auch kann dann auf kurzfristige Bedarfsschwankungen nicht schnell reagiert werden. Das heißt, dass überfüllte Züge fahren oder auch leere und neben dem Frust der Fahrgäste über Verspätungen auch noch der über die überfüllten Züge dazukommt.
Folgende Streckenverlängerungen wären aber in aus folgenden Gründen wünschenswert:
- Zuerst ist hiermit eine erhebliche Fahrzeitverminderung bspw. zwischen Büchen und Elmshorn möglich. Aufgrund der jetzigen langen Fahrzeit von über 1 ½ Stunden oder länger habe ich mich nicht auf einer freien Stelle westlich von Hamburg beworben. (von Bergedorf nach Tornesch) Ein durchgehender Zug würde es in unter 35 Minuten schaffen. Als Anfang könnten sie zu mindestens eine bessere Fahrplanabstimmung machen, dass ein Anschluss zwischen den Büchener und den Elmshorner Zug besteht.
- Der Hauptbahnhof würde entlastet werden, da er nicht als Endbahnhof für Regionalzüge fungieren und somit Gleiskapazitäten belegen würde, sondern als Durchgangsbahnhof. Diese könnte man auch mit Nord-Südverbindungen machen und hätte damit 2 Gleise mehr zur Verfügung. Es wird ja sowohl von der Bahn als auch vom Senat die zu kleine Kapazität beklagt. Das wäre die schnellste und günstigste Alternative.
Daneben haben sich auch die Fahrzeiten in den letzten Jahren verlängert, damit die Bahn weniger Verspätung hat und damit auch weniger Strafe zahlen muss, was allerdings auf Kosten der Zeit geht.
Ferner enden oft Züge die Verspätung haben einfach in Bergedorf anstatt bis zum Hauptbahnhof zu fahren um die Verspätung wieder aufzuholen und die Strafzahlungen zu verringern. Das führt dazu, dass die Pendler dann von Bergedorf aus mit der S‑Bahn weiter zum Hauptbahnhof fahren müssen. Schlimmer ist es allerdings, dass auch umgekehrt die Pendler vom Hauptbahnhof nach Bergedorf fahren müssen, um die Regionalbahn zu bekommen, was durch die längere Fahrzeit dazu führt das die Fahrgäste die Züge nicht bekommen.
Ich habe hier mal 4 Strecken mit den Fahrzeiten von 2012 und 2020 aufgeführt:
Beispielsweise hat sich die Fahrzeit von Hauptbahnhof nach Büchen in den letzten 8 Jahren von 23 bis 29 Minuten auf 31 bis 33 Minuten erhöht. Nach Schwerin sogar von 1:16 Stunden bis 1:22 auf 1:21 Stunde bis zu 1:38 Stunde also bis zu 22 Minuten Dieses hat allerdings auch mit der starken Streckenauslastung Hamburg Berlin zu tun, wo die ICE´s immer Vorrang haben. Ich bin mal gespannt, welche Auswirkungen die Ausweitung des Fernzugverkehrs von Hamburg nach Berlin in einen halbstündigen Takt auf die Verspätungen und Fahrzeitverlängerungen haben werden.
Die Fahrzeit zwischen Hamburg und Lübeck beträgt z.Zt. bei Regionalzügen zwischen 43 und 52 Minuten. 1939 lag die Fahrzeit bei 53 Minuten für die schnellste Regionalzugverbindung! Da frage ich mich natürlich, warum die Bahn nicht in der Lage ist eine Bahnverbindung vom unter 20 Minuten einzurichten? Die Entfernung beträgt ca. 56 Bahnkilometer von Hamburg HBF nach Lübeck HBF. Für diese Strecke 43 Minuten Fahrzeit zu benötigen finde ich bei den heutigen technischen Möglichkeiten keine sehr kundenfreundliche Politik und dann rühmen sich die Politiker und die Bahn auch noch damit, ab 2022 wieder einen Sprinter einzusetzen, der dann immerhin noch 38 Minuten benötigen soll. Das ist ein Kilometerschnitt von 88,4 km/h.
Auch die anderen o.g. Verbindungen sind nicht viel schneller. HH-Lüneburg 45 km Entfernung und die Fahrzeit beträgt zwischen 30 und 50 Minuten. Auch hier ist meines Erachtens noch Zeiteinsparungspotential hierzu ist aber ein Ausbau der Strecke Hamburg-Harburg von 80 auf 140 oder mehr Notwendig, davon würden natürlich alle Regionalbahnen Südlich der Elbe profitieren
Die Fahrzeit Cuxhaven-Hamburg beträgt seit 2019 1:44 Minuten. 2012 lag die Fahrzeit ebenfalls bei 1:44, was nicht unbedingt positiv zu Bewerten ist. Die Strecke ist 103,6 km lang was auf einen Kilometerschnitt von 59,77Km/h noch langsamer als zwischen Lübeck und Hamburg. Früher wurde so etwas als Bummelzug bezeichnet.
Ich habe hier mal anhand von 4 Strecken die Verspätungen für 2020 recherchiert anhand einiger Links über die man die prozentualen Verspätungen und die Zuverlässigkeit einsehen kann. Leider gibt es diese Aufstellung nicht für alle Strecken der Regionalzüge.
- Schwerin-Hamburg ist im Link unten enthalten
- Lüneburg-Hamburg warte noch auf einer Info
- Lübeck-Hamburg=> https://www.nah.sh/de/themen/qualitaet-auf-der-schiene/
- Cuxhaven-Hamburg – Verspätungen 2019 12% ( 2018 waren es nur 9,2%). Die Anzahl der Zugausfälle mit 1,7%wird vom Fahrgastverband Pro Bahn mit sehr hoch angesehen.
- *Daten von LNVG , Qualitäts-ABC 2019 Von Ausfällen, Baustellen über Infrastruktur und Personal bis zu Verspätungen und Zugfolge
- Link: https://www.lnvg.de/anzeige-newsletter-06-november-2020/qualitaets-abc-2019
* siehe dazu auch
Ermittlung der erforderlichen Ausbaumaßnahmen der Eisenbahnstrecke Hamburg – Hannover unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem Bundesverkehrswegeplan („Optimiertes Alpha‑E“), des Deutschland-Takts, der Umroutung von Güterzügen von VIEREGG — RÖSSLER GmbH Innovative Verkehrsberatung 10.01.2020
Mein Fazit:
Mit solch einer unstrukturierten Verkehrspolitik womit sich sowohl die Politik als die Bahn auch noch rühmen, kann man weder eine Verkehrswende erreichen noch die Fahrgäste zufrieden stellen, wobei die Hauptaufgabe hier eindeutig bei der Politik liegt.
Die Politik hat der Bahn die Verpflichtung auferlegt wirtschaftlich zu fahren, was dazu führte, dass überall nach Einsparungs- und Kostenreduzierungsmöglichkeiten gesucht und diese auch rigoros durch Herrn Mehdorn umgesetzt wurden.
Ich möchte Herrn Mehdorn hier nicht in Schutz nehmen, zumal er sich bei anderen Firmen nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, aber er hat in Endeffekt nur das umgesetzt, was die Politik wollte. Und diese Politik wurde auch von unserer Umweltpartei DIE GRÜNEN voll mitgetragen, die sich jetzt aber hinstellen und den schlechten Zustand der Bahn bemängeln. Übrigens zeigen die Grünen auch in Hamburg keine großen Ambitionen die Stadtbahn wieder einzuführen, aber das ist ein anderes Thema.
Beide Seiten sollten nie vergessen, dass sie Dienstleister für die Bevölkerung sind und die Bürger ihnen erst eine Existenzberechtigung geben und nicht ein lästiges Übel, was man akzeptieren muss.
Ausblick: Mein nächstes Thema wird in Kürze die Nachtzugverbindung von Hamburg aus sein.