Obdach- und Wohnungslosenpolitik
- Sozial ist eine Stadt, welche gerade die Schwächsten stärkt -
Hamburg hat nicht erst infolge der in den letzten Jahren angestiegenen Zahl von Flüchtlingen große Schwierigkeiten, angemessene Unterkünfte für Obdachlose und Wohnungslose bereit zu stellen.
Es gibt schon seit langem große Mängel in der öffentlichen Unterbringung. Nötig ist stets die vorausschauende Planung über die Situation hinaus. Dies wurde in der Vergangenheit versäumt. Kapazitäten der öffentlichen Unterbringung wurden oft vorschnell abgebaut. Aus Kostengründen haben alle Senate der letzten zehn Jahre vor allem die Obdachlosen und Wohnungslosen nicht angemessen in ihre Sozialpolitik einbezogen.
Hamburgs Wohlfahrtsverbände warfen dem rot-grünen Senat kürzlich eine massive Vernachlässigung der Wohnungs- und Obdachlosen vor. 10.500 Menschen gelten in Hamburg als obdachlos. Da keine verlässlichen Statistiken geführt werden, wird teilweise von einer Dunkelziffer von weiteren 2000 Menschen ohne Obdach ausgegangen.
In der Stadt gibt es derzeit ca. 14.000 vordringlich Wohnungssuchende. Für diese Personengruppe waren von den 2015 erteilten 8500 Baugenehmigungen lediglich 26 Wohnungen vorgesehen.
Neben der Reduzierung bestehender Wohnungslosigkeit gilt es vor allem, neue Wohnungslosigkeit zu verhindern. Überschuldete Haushalte sind hier das größte Risiko. Nach Zahlen der Verbraucherzentrale gilt ungefähr jeder zehnte Haushalt in Hamburg als überschuldet.
Um zu verhindern, dass Menschen ihre Wohnung verlieren, gibt es in Hamburg behördliche Fachstellen zur Wohnungssicherung. Diese haben die Aufgabe, durch die Übernahme von Mietschulden Zwangsräumungen zu vermeiden.
Das behördliche Hilfesystem versagt allerdings, wenn Menschen aufgrund ihrer psychosozialen Probleme (Sucht, psychische Störungen, Realitätsverlust, aber auch Überforderung mit behördlichen Problemen) nicht mehr in der Lage sind, sich um Hilfe zu kümmern. Ebenso fehlt es in den Fachstellen an ausreichend Personal.
Die Ursachen, sich selbst nicht mehr helfen zu können, sind Krankheit, häusliche Konflikte, Scheidung, Trennung und vor allem bei Frauen häusliche und familiäre Gewalt. Auf der Straße lebende Obdachlose sind überdurchschnittlich häufig krank. Rund zwei Drittel sind alkohol- und drogenabhängig und 15 bis 30 % leiden unter einer psychischen Erkrankung.
Auffällig in Hamburg ist der hohe Anteil junger Wohnungsloser. Wer seine Wohnung verliert, bekommt meist auch Probleme mit geregelten Tagesabläufen. Dies führt häufig zum zusätzlichen Verlust des Arbeitsplatzes und in Folge zu sozialer Isolation, Einsamkeit und Beeinträchtigung der psychischen und körperlichen Gesundheit. Es muss das Ziel sein, durch erfolgreiche Vermittlung von Wohnraum auch die Verweildauer in der öffentlichen Unterbringung deutlich zu reduzieren.
Ein großes Problem für Straßenobdachlose ist die mangelnde gesundheitliche Versorgung. Ihre oftmals bestehenden Rechtsansprüche auf Leistungen können auf der Straße lebende Menschen aber nur einfordern, wenn eine Meldeadresse vorliegt. Da die meisten Menschen auf der Straße jedoch Probleme mit Behörden in ihrem Heimatort haben und sich deshalb dort nicht anmelden können, fehlt ihnen die Möglichkeit, sich am aktuellen Aufenthaltsort wohnungslos zu melden. Das führt dazu, dass sie in der Regel nicht krankenversichert sind.
Obdachlose Menschen sind in besonderem Maße dem Risiko von Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Der öffentliche Raum als hauptsächlicher Aufenthaltsort von obdachlosen Menschen lässt kaum Möglichkeiten des privaten Rückzugs und macht die Menschen oft wehrlos.
Wir Neue Liberale wollen:
• ein Gesamtkonzept für die öffentliche Unterbringung in Hamburg, mit dem Ziel, eine ausreichende Anzahl kleinerer, überschaubarer und menschenwürdiger Wohneinheiten mit Beratungs- und Betreuungsangeboten für Obdachlose bereitzuhalten.
• in allen Einrichtungen der öffentlichen Unterbringung Mindeststandards eingehalten Größe, Ausstattung und Zusammensetzung der Bewohner sind bei jeder Einrichtung so zu gestalten, dass die Wohnatmosphäre einem potenziellen Gewaltrisiko entgegen wirkt. Dazu zählt bei Bedarf vor allem auch eine Einzelzimmerunterbringung.
• vorrangig dafür sorgen, dass Wohnungslosigkeit nicht eintritt.
Der soziale Wohnungsbau muss daher weiter belebt werden. Zudem müssen bei Neubauten vermehrt auch kleine, preisgünstige Ein-Zimmer-Wohnungen entstehen. Einrichtungen wie Fördern & Wohnen sollten verstärkt eigene Wohnungsbestände errichten und belegen.
• die Fachstellen für Wohnungsnotfälle personell besser ausstatten. Sie müssen in der Lage sein, Betroffene in Notlagen zu helfen etwa bei der Begleitung und ggf. Intervention bei Zwangsräumungen und im Rahmen von aufsuchender Arbeit
• allen Wohnungslosen den Zugang zur Wohnungsvermittlung nachdem in Hamburg abgeschlossenen Kooperationsvertrag ermöglichen.Dafür muss die Anzahl der im Vertrag definierten Wohnungen deutlich erhöht werden.
• Straßenobdachlosen einfache Zugänge zum öffentlichen Gesundheitssystem ermöglichen, was diskriminierungsfreieArztbesuche und Krankenhausaufenthalte umfasst.
• jungen Menschen ein Recht auf eigenständiges Wohnen ermöglichen. Die Mietkosten müssen ohne erschwerende bürokratische Hürden übernommen werden.
• vor allem für die Gruppe der Straßenobdachlosen eine langfristige Begleitung auch nach Vermittlung in eine Wohnung
• systematische Erforschung und regelmäßige Erhebung von Daten zum Problem der Wohnungslosigkeit.
• ein Winternotprogramm, das seinen Namen verdient. (siehe unten)
Wir Neue Liberale fordern:
Das Winternotprogramm muss in Qualität und Quantität aufgestockt werden und jedem Bedürftigen uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Jedes Jahr startet am 1. November das Winternotprogramm hamburgweit. Es soll während der Wintermonate obdachlosen Menschen Schutz vor Erfrierungen bieten. Die Auslastung des Winternotprogramms war in den letzten Jahren sehr hoch und nahm stetig zu. Das derzeitige Winternotprogramm bietet für Obdachlose lediglich 890 Schlafplätze an. Das sind einerseits deutlich zu wenige Plätze. Andererseits ist die Qualität der angebotenen Schlafplätze teilweise äußerst fragwürdig.
Die vorhandenen Schlafplätze befinden sich weit überwiegend in Großunterkünften. So stehen in der Münzstraße rund 400 Schlafplätze und im Schaarsteinweg rund 360 Schlafplätze zur Verfügung. Rund 130 Schlafplätze sind in Wohncontainern über das Stadtgebiet bei Kirchengemeinden, bei der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und bei der Evangelischen Hochschule für Sozialpädagogik beim Rauhen Haus verteilt.
Gerade in größeren Unterkünften ist das Risiko, Opfer einer Gewalt- oder Straftat zu werden deutlich erhöht. Viele Obdachlose haben deshalb Angst, sich nachts in ein Winternotquartier zu begeben. Manche Menschen ziehen es dann vor, auf der Straße zu nächtigen. Das ist im Winter lebensgefährlich. Deshalb müssen vermehrt kleinteilige Unterbringungen angeboten werden, die eine Gewähr für eine Wohnatmosphäre bieten, die einem potenziellen Gewaltrisiko entgegenwirkt. Diesem Anspruch werden die meisten derzeitigen Unterkünfte nicht oder nicht ausreichend gerecht.
An Wintertagen müssen — anders als bisher — alle Obdachlosen die Möglichkeit haben, sich auch tagsüber in Innenräumen aufzuhalten. Die täglich zugängliche Tagesaufenthaltsstätte in der Hinrichsenstraße von fördern & wohnen bietet mit rund 100 Plätzen bereits rein zahlenmäßig bei weitem keinen ausreichenden
Ersatz.
Zwar hat der Senat vor, die Beratungsangebote für die Nutzer des Winternotprogramms auszubauen. Doch das bedeutet nicht, dass auch alle tatsächlich Hilfe bekommen. Obdachlose aus Osteuropa werden oft auf ihr Heimatland verwiesen. Eine Unterkunft in Hamburg bekommen nicht alle. Es ist jedoch ein Gebot der Menschlichkeit, jedem eine Unterkunft anzubieten. Wer im Winter keine Unterkunft erhält, droht auf Hamburgs Straßen zu verelenden. Das ist menschenverachtend.
Hamburg muss ein Winternotprogramm auferlegen, das seinen Namen verdient.